Polizist vor Spiegel

Episode 14

Eingeweihte und Eingeweide

Roberto will raus. Die Polizisten wollen runter. Und vielleicht nimmt Lilly alle hoch.

Kantonspolizist Frunz kickte die Nierenschale quer durchs Spitalzimmer. Robertos Haarsträhnen fielen raus und sprenkelten den Boden. Frunz fluchte. Es war nicht sein Tag. «Der Langhaardackel hat sich zur Tarnung also in ein gerupftes Huhn verwandelt», sagte Hitz, um seinen Kollegen aufzuheitern. «Aber weit kann es noch nicht geflattert sein.» Er machte einen Schritt zum Lavabo, in dem ebenfalls Haare klebten, und legte prüfend seine Hand um den Wasserhahn, «der ist noch ganz heiss.» Frunz stutze. Kam nun auch zum Lavabo. «Wofür brauchte der Hobbycoiffeur heisses Wasser? Haare runterspülen kann man auch mit kaltem.» Frunz kniff die Augen zusammen, sein detektivischer Trieb verscheuchte die schlechte Laune. «Wenn man den Wasserhahn aufdreht, dann wählt man in der Regel das kalte Wasser. Warm wählt man nur, wenn man wirklich warm will.» Hitz konnte Frunz nicht recht folgen, nickte aber und bestärkte seinen Kollegen, dass das stimme, was er da sage – wenn man es sich recht überlege. Frunz fackelte nicht lange. Er drehte das heisse Wasser voll auf. Der Spiegel beschlug. Und Hitz verschlug es beinahe den Atem. «Wie hast du das jetzt wieder…?»
Auf dem Spiegel trat langsam eine Nachricht hervor. Und Kantonspolizist Frunz nahm sie persönlich. Es war eine Zeichnung. Eine eindeutige. Die gleiche Schmiererei, die Roberto auch beim Casino hinterlassen hatte.

«Es ist das Einzige, das ich so schnell, schnell zeichnen kann», sagte Roberto, und es verletzte ihn ein wenig, dass die drei Patientinnen, derart lachen mussten.

«Zumindest ist es ein klares Statement», verteidigte er sich. «Ja, und vor allem ein aufrechtes», sagte Lilly und zeichnete das Ding gleich nochmals in die Luft. Sie war deutlich aufgetaut, nachdem sich der schwarze Kater wieder von Robertos Rollbett erhoben und sich zu ihr auf den Schoss gelegt hatte. Nun kraulte sie ihn unter dem Kinn. «Ich mag nichts Verwerfliches an deiner Aktion finden. Es ist zumindest nichts, was ich nicht auch schon getan habe.» Estelle und Marina verdrehten nur die Augen. «Ja, ehrlich», sagte Lilly, «trifft genau meinen Kunstgeschmack. Und heieiei konnte sich der Schmuck-Röbi da aufregen! Einfach kurz ans Schaufenster hauchen und zack! Hat ja nie gemerkt, dass ich das war. Mindestens einmal pro Woche habe ich da mit dem Finger ein echtes Prachtsstück hingemalt, in allen Variationen. Und dem Röbi ist eins ums andere Äderchen geplatzt. Schön war das. Richtig schön.» Estelle winkte ab. «Also», sagte sie zu Roberto. «Ich habe eine Idee, wie wir dich unbemerkt aus dem Spital bringen. Und unten nimmst du dann am besten gleich ein Taxi.» Jetzt verdrehte Lilly die Augen. «Ein Taxi? Ein wahrer Ganove nimmt doch kein Taxi für seine Flucht.» Sie wandte sich an Roberto. «Nein, mein Lieber, du entkommst mit Stil.» Lilly kramte einen Schlüssel hervor und schwenkte ihn in der Luft. «Schwarzes Ford Mustang Coupé, Baujahr 1967, Dankeschön, Bitteschön.» Sie nahm richtig Haltung an in ihrem Rollstuhl. «Hat mich noch nie im Stich gelassen.» Roberto fuhr sich über seinen stoppeligen Schädel. «Das ist lieb von Ihnen, aber ich kann nicht Autofahren.» Lilly schnappte nach Luft. «Nicht in diesem Zustand», präzisierte er, «ich kann kaum sitzen.» Einen Moment lang sagte niemand ein Wort. Der Kater schnurrte. Das Spital brummte. Dann hob Marina ihren rechten, einbandagierten Arm und nickte Lilly zu. «Ich wüsste da einen Fahrer.» Lilly warf Marina den Schlüssel zu. Der Wurf war unterirdisch.

«Was denkst du, was hier unterirdisch noch alles los ist?!» sagte Hitz zu seinem Kollegen. «Das ist kein Spital, das ist eher ein Dorf, was sag ich, eine kleine Stadt.» Er nahm die Dienstmütze ab. «Wenn ich hier nicht gefunden werden wollte, dann würde ich runter, in die Eingeweide.» Frunz gab ihm Recht. «Auf jeden Fall wird er nicht einfach beim Haupteingang raushumpeln, so doof ist er dann auch wieder nicht.»

«Was ist denn nun dein Plan», wollte Lilly von Estelle wissen. Und Estelle schaute in die Runde. «Na, einfach unten raus, durch den Haupteingang.»






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